Hausinternes IVD-DZM-Panel oder nicht? Es kommt darauf an...

Pieter Bogaert PhD, Senior Expert für Device Compliance, QARAD

Die Abkürzung IVDR sorgt schon seit einer Weile für Aufruhr in medizinischen Laboren und ruft gelegentlich Verwirrung und Sorge in Bezug auf die Verfügbarkeit von in-vitro-diagnostischen Tests für Laborfachpersonal und in der Folge für Patienten hervor. Die klinische Durchflusszytometrie (DZM) ist sicherlich ein Gebiet, auf das sich die IVDR disruptiv auswirken könnte, da medizinische Labore befürchten, in der Entwicklung, Validierung und Implementierung eigener DZM-Panels eingeschränkt zu werden. Doch was genau steht nun eigentlich in der IVDR – also der Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika1 – und was bedeutet dies für die Zukunft von (benutzerdefinierten) Tests in der klinischen Durchflusszytometrie?

Einführung: Geltungsbereich der IVDR

Betrachten wir zunächst einmal, was genau in den Geltungsbereich der IVDR fällt und was nicht. Vereinfacht ausgedrückt schreibt die IVDR Regeln für alle Produkte vor, die in der Europäischen Union (EU) in Verkehr gebracht werden und die für die In-vitro-Diagnostik (IVD) vorgesehen sind. „Produkt“ kann dabei ein Reagenz, ein Kit, einen Kalibrator, Kontrollmaterial, ein Gerät, ein Probenbehältnis, eine Software usw. bezeichnen. Im Sinne der IVDR bedeutet „alle Produkte“ sowohl kommerziell verfügbare In-vitro-Diagnostika (erkennbar an der CE-Kennzeichnung) als auch Produkte, die innerhalb einer Gesundheitseinrichtung hergestellt werden (Inhouse- bzw. hausinterne IVD). Vor der IVDR beschränkten sich die gesetzlichen Vorgaben auf die erstgenannte Art von Produkten. Im Rahmen dieses Whitepapers werden medizinische Labore (sowohl solche in Krankenhäusern als auch Privatlabore) als modellhafte Beispiele einer Gesundheitseinrichtung betrachtet. Es hat sich nun erstmalig die Situation ergeben, dass nicht gewerbliche, hausinterne Labortests reguliert werden. Dem liegt die Auffassung zu Grunde, dass es, wenn die IVDR die Messlatte für gewerbliche Hersteller erheblich höher legt, nur gerecht ist, bei nicht gewerblichen IVD-Tests nachzuziehen.

Abbildung 1. IVDR: Was fällt in den Geltungsbereich und was nicht?

Bedeutet dies folglich, dass alles, was man im Labor findet und tut, durch die IVDR reguliert wird? Wie in Abbildung 1 zu sehen, trifft dies nicht ganz zu. Im Rahmen der CE-Kennzeichnungsvergabe hat der Hersteller nachzuweisen, dass das In-vitro-Diagnostikum bei bestimmungsgemäßem Gebrauch in der vorgesehenen Umgebung und durch den vorgesehenen Anwender sicher und wirksam ist. Im Kontext klinischer DZM-Tests bedeutet „vorgesehene Umgebung“ und „vorgesehener Anwender“: medizinische Labore und Laborfachkräfte. Die IVDR schreibt allerdings nicht vor, wie ein medizinisches Labor IVD-Tests implementieren oder Mitarbeitende hinsichtlich ihrer Qualifikation zur Durchführung von Tests prüfen sollte – diese Aspekte sind über die nationalen Akkreditierungsanforderungen geregelt. Außerdem nicht in den Geltungsbereich der IVDR fallen Produkte für den allgemeinen Laborbedarf und die Laborausstattung, die sich weder einem noch mehreren bestimmten IVD-Tests oder -Verfahren zuordnen lassen (so z. B. Pipetten, Zentrifugen und Puffer mit breitem Einsatzspektrum wie PBS usw.), auf internationaler Ebene zertifizierte Referenzmaterialien und Materialien für externe Qualitätsbewertungsprogramme (EQAS). Schließlich befasst sich die IVDR auch nicht mit allein für Forschungszwecke bestimmten Produkten (research use only; RUO), wobei zu beachten ist, dass RUO-Produkte laut Definition keinerlei medizinische Ziele verfolgen dürfen.2 Sollte ein medizinisches Labor ein RUO-Produkt als In-vitro-Diagnostikum verwenden, dann gilt dieses als für RUO verkaufte Produkt in der Folge als In-vitro-Diagnostikum aus Eigenherstellung des Labors und fällt somit unter die IVDR. Um diese Einführung also noch einmal zusammenzufassen: Die IVDR regelt, wie für in-vitro-diagnostische Zwecke bestimmte Produkte hergestellt und dem Anwender bereitgestellt werden. Dabei ist unerheblich, ob diese Produkte kommerziell verfügbar sind oder vom Labor hausintern hergestellt werden.

IVDR und Herstellung nicht gewerblicher, hausinterner IVD-Tests

Wie ist ein vom Labor hergestellter, hausinterner IVD-Test definiert? Häufig werden derartige Tests als laborentwickelte Tests oder kurz „LDT“ (zu Englisch: laboratory-developed test) bezeichnet, da sich diese Bezeichnung aber auf ein streng definiertes, von der FDA reguliertes Konzept bezieht,3 sollte man von einer Verwendung im Kontext der IVDR besser absehen. Im Wesentlichen handelt es sich bei hausinternen IVD-Tests um IVD-Tests, die von einem Labor verwendet werden und keine CE-Kennzeichnung tragen oder so eingesetzt werden, dass sie außerhalb des Anwendungsbereichs liegen, für den die CE-Kennzeichnung vergeben wurde (nicht bestimmungsgemäße Anwendung von Produkten mit CE-Kennzeichnung – mehr dazu später). In der Regel setzen sich derartige Tests (in Teilen) aus RUO-Reagenzien, von der Zweckbestimmung abweichend verwendeten IVD-Reagenzien mit CE-Kennzeichnung und/oder laborentwickelten kritischen Reagenzien zusammen. Vor diesem Hintergrund fällt ein erheblicher Anteil der aktuell verwendeten Labortests unter die hausinternen IVD-Tests.4

An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass die IVDR ausdrücklich anerkennt, dass kommerziell verfügbare In-vitro-Diagnostika mit CE-Kennzeichnung u. U. nicht allen Patientengruppen gerecht werden und daher weiterhin ein Bedarf an hausinternen IVD-Tests besteht. Allerdings wird die Verwendung solcher Tests nun durch Artikel 5.5 der IVDR eingeschränkt bzw. reguliert, in dem die Anforderungen spezifiziert werden, die Labore erfüllen müssen, damit ihre hausinternen Tests teilweise von der IVDR ausgenommen sind. Ob ein hausinterner IVD-Test von der IVDR ausgenommen ist, entscheidet sich danach, ob alle in Artikel 5.5 aufgeführten und in Abbildung 2 zusammengefassten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Einhaltung dieser Voraussetzungen allein ist jedoch keine Garantie, und Labore werden erheblichen Aufwand betreiben müssen, wenn sie weiterhin hausinterne IVD-Tests verwenden möchten. Sollte auch nur eine der Voraussetzungen nicht erfüllt werden können, muss das Labor die Verwendung des betreffenden hausinternen IVD-Tests einstellen und zu einer kommerziell verfügbaren Alternative wechseln. Es sei denn, das Labor entscheidet sich, eine CE-Kennzeichnung für seinen hausinternen IVD-Test zu beantragen. Um diese zu erhalten, müsste es exakt dieselben Anforderungen und Konformitätsbewertungsverfahren einhalten wie gewerbliche IVD-Hersteller – für die meisten Labore eine unwahrscheinliche Entscheidung, die in diesem Whitepaper nicht weiter beleuchtet wird.

With the exception of the relevant General Safety and Performance Requirements (GSPR) set out in Annex I of the IVDR, in-house ID tests that are made and used by medical laboratories established within the EU shall be exempted from the requirements of the IVDR provided that all of the following conditions are met:

  1. The tests are not transferred to another legal entity and they are not manufactured on an industrial scale;
  2. The manufacture and use of the tests occur under appropriate quality management systems;
  3. The laboratory is compliant with standard EN ISO 15189 or where applicable national provisions;
  4. The laboratory provides information upon request to its competent authority on the use of such tests, which shall include a justification of their manufacturing, modification and use;
  5. The laboratory draws up a declaration which it shall make publicly available, including: its the name and address, the details necessary to identify the tests, a declaration that the tests meet the GSPR and, where applicable, information on which GSPR are not fully met with a reasoned justification therefor;
  6. For Class D tests in accordance with the rules set out in Annex VIII of the IVDR, the laboratory draws up documentation that makes it possible to have an understanding of the manufacturing facility, the manufacturing process, the design and performance data of the tests, including the intended purpose, and that is sufficiently detailed to enable the competent authority to ascertain that the GSPR are met. Member States may apply this provision also to class A, B or C tests in accordance with the rules set out in Annex VIII;
  7. The laboratory takes all necessary measures to ensure that all tests are manufactured in accordance with the documentation referred to in point f.;
  8. The laboratory reviews experience gained from clinical use of the tests and takes all necessary corrective actions;
  9. The laboratory justifies in its documentation that the target patient group's specific needs cannot be met, or cannot be met at the appropriate level of performance by an equivalent device available on the market.

Member States may require that such laboratories submit to the competent authority any further relevant information about such tests which have been manufactured and used on their territory. Member States shall retain the right to restrict the manufacture and use of any specific type of such tests and shall be permitted access to inspect the activities of the laboratories.

Abbildung 2. Für von medizinischen Laboren hausintern hergestellte IVD-Tests zu erfüllende Voraussetzungen nach Artikel 5.5 der IVDR.

IVDR-Termine, übertragen auf die Durchflusszytometrie

Ursprünglich war vorgesehen, dass die IVDR zum 26. Mai 2022 in vollem Umfang in Kraft tritt, aufgrund der COVID-Pandemie wurde jedoch eine Fristverlängerung beschlossen und es wurden nach verschiedenen Produktkategorien gestaffelte Termine für den Gültigkeitsbeginn festgelegt.5 Die IVDR teilt In-vitro-Diagnostika in unterschiedliche Risikoklassen ein und anhand dieser Klassifikation wurden Fristen für kommerziell verfügbare Produkte festgesetzt. Was bedeutet das für Produkte aus dem Bereich Durchflusszytometrie? Eine Übersicht finden Sie in Abbildung 3.

Neue Durchflusszytometer, Produkte für die Einrichtung und Kalibrierung von Durchflusszytometern sowie Puffer und Lösungen für bestimmte Verarbeitungsverfahren für DZM-Proben (z. B. Erythrozytenlysepuffer oder Fixativreagenzien) sind in der Regel nicht sterile Produkte der Klasse A (geringes Risiko für Einzelne oder die öffentliche Gesundheit), für die sich die Fristen nicht geändert haben; die IVDR trat zum 26. Mai 2022 in Kraft und es gilt für diese Produkte bis 26. Mai 2025 eine Abverkaufsregelung (die es Herstellern erlaubt, ihren Bestand an mit der IVD-Richtlinie konformen Produkten zu verkaufen). Bei DZM-Kits und -Reagenzien handelt es sich zumeist, je nach Zweckbestimmung, um Produkte der Klasse B (moderates Risiko für Einzelne und/oder geringes Risiko für die öffentliche Gesundheit) oder der Klasse C (hohes Risiko für Einzelne und/oder moderates Risiko für die öffentliche Gesundheit). Vollständig in Kraft tritt die IVDR für Produkte der Klassen C und B – jeweils mit einer einjährig geltenden Abverkaufsregelung – am 26. Mai 2026 bzw. am 26. Mai 2027. Allerdings sind bestimmte Anforderungen wie die Überwachung nach dem Inverkehrbringen bereits seit 26. Mai 2022 einzuhalten. Des Weiteren gibt es noch Produkte der Klasse D und Sterilprodukte der Klasse A, welche aber allem Anschein nach keine der aktuell verfügbaren DZM-Produkte umfassen.

Auch die Übergangsfristen für Artikel 5.5 haben sich geändert. Sie gelten für derzeit in Verwendung befindliche DZM-Tests, die die Kriterien für hausinterne IVD-Tests erfüllen. Die meisten Anforderungen aus Artikel 5.5 müssen spätestens ab 26. Mai 2024 eingehalten werden; eine Begründung dafür, dass „die spezifischen Erfordernisse der Patientenzielgruppe nicht bzw. nicht auf dem angezeigten Leistungsniveau durch ein gleichartiges auf dem Markt befindliches Produkt befriedigt werden können“, ist hingegen erst ab dem 26. Mai 2028 erforderlich. Einige der Anforderungen gelten jedoch schon seit dem 26. Mai 2022: zum einen die Anforderung, dass Tests nicht an eine andere rechtlich eigenständige Einrichtung abgegeben und nicht im industriellen Maßstab hergestellt werden dürfen, zum anderen aber auch die Anforderung, dass die Tests dem Anhang I „Allgemeine Sicherheits- und Leistungsanforderungen“ entsprechen. Die Einhaltung dieser Anforderung gestaltet sich herausfordernd, denn sie erfordert eine umfangreiche Überarbeitung des Qualitätsmanagementsystems (QMS) des Labors sowie die Einrichtung zusätzlicher Verfahren und Dokumentationsschritte. Daher ist es von wesentlicher Bedeutung zu ermitteln, ob aktuell verwendete klinische DZM-Tests den Anforderungen aus Artikel 5.5 gerecht werden oder nicht.

Abbildung 3. Aktueller Terminstand für die Umsetzung der IVDR.

Hausinternes IVD-DZM-Panel oder nicht? Es kommt darauf an...

Welche Auswirkungen hat die IVDR auf DZM-Tests in medizinischen Laboren? Auch wenn die Verfügbarkeit von DZM-Kits mit CE-Kennzeichnung allmählich zunimmt, liegen den meisten klinischen DZM-Tests noch immer Panels zu Grunde, für die benutzerdefinierte Cocktails aus einzelnen monoklonalen Antikörpern verwendet werden. Welche Möglichkeiten hat ein Labor, das aktuell derartige klinische DZM-Panels verwendet? Kann es diese Panels mit denselben Antikörper-Cocktails weiter verwenden? Oder sollte es diese Cocktails besser abändern und wenn ja, wie? Oder sollte das Labor zu völlig anderen Antikörper-Panels wechseln – oder vielleicht zu Kits? Und ändert sich irgendetwas an der Situation, wenn das Labor bereits DZM-Kits verwendet? Die Antwort ist ein echter Klassiker im Bereich regulatorische Angelegenheiten: „Es kommt darauf an.“ Genauer gesagt kommt es, wie am vereinfachten Entscheidungsbaum in Abbildung 4 zu sehen, auf zwei Fragen an. Die erste Frage ist, ob das eingesetzte Kit oder die für den Cocktail verwendeten Antikörper alle die CE-Kennzeichnung tragen. Die zweite Frage ist, ob der Test in Übereinstimmung mit der vom Produkthersteller angegebenen Zweckbestimmung verwendet wird.

Abbildung 4. Vereinfachter Entscheidungsbaum zur rechtlichen Einordnung von klinischen DZM-Tests.

Der Begriff „Zweckbestimmung“ bezeichnet im Sinne der IVDR „die Verwendung, für die ein Produkt entsprechend den Angaben des Herstellers auf der Kennzeichnung, in der Gebrauchsanweisung oder dem Werbe- oder Verkaufsmaterial bzw. den Werbe- oder Verkaufsangaben oder seinen Angaben bei der Leistungsbewertung bestimmt ist“. Das heißt, die Zweckbestimmung teilt dem Labor den spezifischen Kontext mit, in dem das Produkt verwendet werden darf. Dabei sind die wichtigsten zu beantwortenden Fragen:

  • Zu welchem medizinischen Zweck: (als Hilfsmittel zur) Diagnose, Prognose, Vorhersage usw.
  • Für welchen klinischen oder physiologischen Zustand: für welche Patientenzielgruppe
  • Mit welchen Proben: peripheres Blut, Knochenmark, Gewebe usw.
  • Mit welchen Geräten und sonstigen Produkten: Dies kann eng definiert oder allgemeiner formuliert sein.
  • Durch welchen Anwender: Laborfachpersonal, erforderliches Maß an Schulung bzw. Expertise

Wie anhand des Entscheidungsbaums in Abbildung 4 zu erkennen, gibt es drei mögliche Szenarien für klinische DZM- Tests, aus denen sich ihre rechtliche Einordnung ergibt.

Szenario 1: Benutzerdefiniertes IVD-DZM-Panel mit CE-Kennzeichnung

Bei vielen derzeit verwendeten DZM-Panels wird die Zusammensetzung der Antikörper-Cocktails von dem jeweiligen Labor festgelegt, das den Test durchführt. In diesen Fällen handelt es sich somit um benutzerdefinierte DZM-Panels. Besteht ein solches DZM-Panel ausschließlich aus Reagenzien mit CE-Kennzeichnung und werden diese exakt gemäß der in der Gebrauchsanweisung angegebenen Zweckbestimmung verwendet, so gibt es keinen triftigen Grund, etwas zu ändern. Auch wenn immer noch das Gerücht verbreitet wird, dass benutzerdefinierte DZM-Panels nur im Rahmen einer Freistellung nach Artikel 5.5 verwendet werden dürfen, ist diese Annahme nicht zutreffend. Das Labor muss allerdings genauestens prüfen (und zur Sicherheit vielleicht noch einmal nachprüfen), ob alle Antikörper im Cocktail auch tatsächlich entsprechend der Gebrauchsanweisung verwendet werden: Sind sie zu demselben Diagnosezweck vorgesehen? Für dieselbe Patientenzielgruppe? Sind sie für die Verwendung mit demselben Probentyp vorgesehen? Mit demselben Gerät? Ist das Funktionsprinzip des Tests dasselbe? Wenn die Antwort auf all diese Fragen „ja“ lautet, dann sind diese Antikörper mit CE-Kennzeichnung für die Verwendung bei genau dieser Art von benutzerdefinierten DZM-Tests zugelassen. Aus regulatorischer Sicht handelt es sich bei dem DZM-Panel um einen gültigen IVD-Test mit CE-Kennzeichnung

In der Regel wird zu solchen Antikörpern in der Gebrauchsanweisung eine begrenzte Liste an Leistungsmerkmalen aufgeführt, nämlich jene, die für die einzelnen Antikörper gelten. Tatsächlich kann der Hersteller keine Leistungsangaben zu einem Test als Ganzem verifizieren oder validieren, da die Produkte speziell für benutzerdefinierte Cocktails bestimmt sind. Die Leistung des eigentlichen Tests ist Sache des Labors. So können Eigenschaften wie Präzision und Detektionsfähigkeit vom Hersteller zwar für jeden einzelnen Antikörper bestimmt werden, diese Information erlaubt aber keine Schlüsse über dieselben Eigenschaften, wenn diese auf das gesamte Antikörper-Panel bezogen werden. Zudem ist es nicht möglich, für einzelne DZM-Antikörper aussagekräftige Angaben zur klinischen Leistung zu machen. Alle testspezifischen Leistungsmerkmale müssen vom Labor validiert werden. Andererseits sind vom Hersteller bereitgestellte Informationen zur analytischen Spezifität des Antikörpers, zur Probenhaltbarkeit und Färbungsstabilität und zu potentiell störend wirkenden Substanzen auch auf das Antikörper-Panel anwendbar und erfordern vom Labor weniger (oder keinen) Verifizierungsaufwand. Auch wenn die Implementierung benutzerdefinierter DZM-Tests also für das Labor mehr Verifizierungs- und Validierungsschritte bedeutet als die Einführung eines gebrauchsfertigen Kits, wird die Situation zukünftig nicht anders sein, als sie es heute ist, und hat mit der IVDR nichts zu tun. Zur Erinnerung: Die IVDR interessiert sich nicht für den Anwender von In-vitro-Diagnostika, solange das Produkt entsprechend der Zweckbestimmung verwendet wird.

Szenario 2: IVD-DZM-Kit mit CE-Kennzeichnung

Wenn der aktuell verwendete DZM-Test auf einem Kit mit CE-Kennzeichnung basiert, stellen sich dieselben Fragen, die sich bei Szenario 1 stellen, denn auch hier entscheidet die Zweckbestimmung darüber, ob die IVDR für das Labor relevant wird oder nicht. Wird das Kit exakt gemäß seiner Zweckbestimmung verwendet, entspricht die Situation exakt Szenario 1: Das DZM-Kit gilt als gültiger IVD-Test mit CE-Kennzeichnung.

Da die Kit-Komponenten des Tests vom Kit-Hersteller festgelegt werden, ist dieser in der Pflicht, alle relevanten Leistungsmerkmale des Tests zu bestimmen. Dazu gehören Angaben zur Analyseleistung, aber auch zur klinischen Leistung, z. B. die diagnostische Sensitivität und Spezifität oder erwartete Werte bei der Patientenpopulation. Dadurch beschränkt sich der Aufwand für die Implementierung des Tests für das Labor auf eine bloße Verifizierungsübung. Mit zunehmend mehr verfügbaren gebrauchsfertigen DZM-Kits wird die Verwendung entsprechender klinischer DZM-Kits immer attraktiver, da sich ihre Einführung im Labor theoretisch leichter gestaltet. Aber, um es noch einmal zu betonen, all das steht im Zusammenhang mit Qualitätsanforderungen an Labore, die schon seit langem gelten und mit der IVDR nichts zu tun haben. Auch im Fall dieses zweiten Szenarios wären die Labore nicht von der IVDR betroffen – solange das Kit eben exakt gemäß der Zweckbestimmung verwendet wird.

Szenario 3: hausinterner IVD-DZM-Test

Die Situation ändert sich erst, wenn weder die Voraussetzungen für das erste noch das zweite Szenario erfüllt sind. Auch wenn ein Kit oder einzelner Antikörper eine CE-Kennzeichnung trägt, ist durch die Abweichung von der Gebrauchsanweisung ein nicht bestimmungsgemäßer Gebrauch gegeben, wodurch der Test als hausinterner IVD-Test einzustufen ist. Aus regulatorischer Sicht verliert die CE-Kennzeichnung in solchen Fällen ihre Gültigkeit, und analog gilt dies auch für als RUO gekennzeichnete Produkte, die zu Diagnosezwecken genutzt werden. Nach IVDR ist diese Praxis nur zulässig, wenn alle Anforderungen aus Artikel 5.5 erfüllt sind. Neben den Dokumentationsvorgaben und regulatorischen Anforderungen, die sich aus Artikel 5.5 ergeben, muss auf eine bestimmte Anforderung, die 2028 als letzte in Kraft tritt, besonderes Augenmerk gelegt werden, nämlich dass begründet werden muss, warum „die spezifischen Erfordernisse der Patientenzielgruppe nicht bzw. nicht auf dem angezeigten Leistungsniveau durch ein gleichartiges auf dem Markt befindliches Produkt befriedigt werden können“. Die Tragweite dieser Anforderung darf nicht unterschätzt werden: Sie bedeutet, dass nachgewiesen werden muss, dass der hausinterne IVD-Test bezogen auf den speziellen Zweck, zu dem er verwendet wird, eine bessere Leistung erzielt als jeder im Handel erhältliche IVD-Test mit CE-Kennzeichnung.

Die nicht bestimmungsgemäße Anwendung von Reagenzien bringt weitere Ungewissheiten bezüglich der Leistung mit sich, und in der Regel ist die Implementierung von hausinternen IVD-DZM-Tests für das Labor aufgrund der Anforderungen in Bezug auf QMS und Akkreditierung bereits mit einem wesentlich höheren Verifizierungs- und Validierungsaufwand verbunden. Durch die IVDR werden Labore nun auch mehr Zeit auf die Aspekte Entwicklung (und Entwicklungslenkung) und Herstellung von hausinternen IVD-Tests verwenden müssen. Im Allgemeinen werden diese Aspekte nicht von einem Labor-QMS abgedeckt, und hier wird die IVDR in der Tat tiefgreifende Auswirkungen für Labore haben, die eine teilweise Ausnahme von der IVDR nach Artikel 5.5 anstreben.

Leistung eines gleichartigen auf dem Markt verfügbaren Tests

Im Fall von In-vitro-Diagnostika mit CE-Kennzeichnung wird dem Anwender die vom Hersteller angegebene Leistung wie bereits erwähnt über die Gebrauchsanweisung bereitgestellt. Im Rahmen der IVDR werden die Leistungsangaben in der Gebrauchsanweisung erheblich genauer nachgeprüft, und der Hersteller muss alle relevanten Leistungsmerkmale bekannt machen, sodass der Anwender absehen kann, welche Leistung das In-vitro-Diagnostikum erbringen sollte. Die Angaben umfassen sowohl die Analyseleistung (wie Präzision, Detektionsfähigkeit, analytische Spezifität, Interferenz, Messbereich. Probenhaltbarkeit) als auch klinische Leistungsmerkmale (wie diagnostische Sensitivität und Spezifität, positiver und negativer prädikativer Wert, erwartete Werte). Es scheint also vernünftig, dass ein Labor für eine Ausnahmeregelung nach Artikel 5.5 die Leistung seines hausinternen IVD-Tests mit den Leistungsangaben in der Gebrauchsanweisung eines gleichartigen Tests mit CE-Kennzeichnung vergleichen muss. Die Suche nach solchen Tests bzw. der Vergleich mit diesen sollte in regelmäßigem Abstand wiederholt werden, um die Einhaltung von Artikel 5.5 fortlaufend sicherzustellen. Dabei kann ein Entscheidungsbaum wie der in Abbildung 5 gezeigte hilfreich sein.

Abbildung 5. Entscheidungsbaum: Vorhandensein und Leistung gleichartiger auf dem Markt verfügbarer Tests. (Abbildung nach Spitzenberger F, Patel J, Gebuhr I, Kruttwig K, Safi A, Meisel C. Laboratory-Developed Tests: Design of a Regulatory Strategy in Compliance with the International State-of-the-Art and the Regulation (EU) 2017/746 (EU IVDR [In Vitro Diagnostic Medical Device Regulation]). Ther Innov Regul Sci. Jan 2022;56(1):47-64. doi:10.1007/s43441-021-00323-7; Vervielfältigung unter der Lizenz „Creative Commons 4.0“ https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/).

Doch was versteht man unter einem „gleichartigen Test“? EAuch wenn die Definition Lücken aufweist, lassen sich zur Identifikation gleichartiger Tests zwei Faktoren heranziehen:7 Die Tests sollten derselben Technologie zuordenbar sein (in diesem Fall: Durchflusszytometrie) und bei der Zweckbestimmung im Wesentlichen übereinstimmen. Obwohl hausinterne IVD-Tests bisher noch nicht Gegenstand einer Überprüfung durch die zuständigen Behörden der einzelnen Länder waren, ist es wichtig, die Zweckbestimmung in Bezug auf Gleichartigkeit genauer in den Blick zu nehmen. Man darf davon ausgehen, dass Gleichartigkeit in Bezug auf DZM-Tests primär über den medizinischen Zweck und die Patientenzielgruppe bestimmt wird, nicht aber über die genaue Antikörperzusammensetzung des Panels oder die Geräte, die für die Durchführung vorgesehen sind.

Nehmen wir zum Beispiel ein als Hilfsmittel bei der Diagnose eines bestimmten Typs von hämatologischer Neoplasie eingesetztes, hausinternes IVD-DZM-Panel, das zur Analyse von Knochenmarkaspirat vorgesehen ist und auf einen oder mehrere Antikörper zurückgreift, die als Produkt mit CE-Kennzeichnung für diese spezielle Zweckbestimmung so nicht verfügbar sind. Um herauszufinden, ob für diesen Test eine IVDR-Ausnahmeregelung nach Artikel 5.5 geltend gemacht werden kann, muss das Labor prüfen, ob es für die Analyse von Knochenmarkaspirat als Hilfsmittel bei der Diagnose dieses Typs von hämatologischer Neoplasie bestimmte durchflusszytometrische Alternativprodukte gibt. Die Antikörperzusammensetzung wäre nicht erheblich, genauso wenig wie das für die Verwendung mit dem Alternativprodukt vorgesehene Zytometer – wichtiger ist vielmehr, dass es sich um ein durchflusszytometrisches Alternativprodukt handelt. Wenn ein solches Alternativprodukt erhältlich wäre, müsste dessen angegebene Leistung mit der des hausinternen IVD- Tests verglichen werden, wobei klinische Leistungsmerkmale wie diagnostische Sensitivität und Spezifität bei diesem Methodenvergleich ausschlaggebend wären.

In der Durchflusszytometrie kann es aber schnell kompliziert werden. Betrachten wir noch einmal das Beispiel aus dem obigen Absatz. Wenn einzelne Antikörper mit CE-Kennzeichnung und derselben Zweckbestimmung verfügbar sind, wie kann das Labor dann darlegen, dass keine der möglichen, zwar benutzerdefinierten, aber aus Antikörpern mit CE-Kennzeichnung bestehenden Cocktail-Zusammensetzungen das „angezeigte Leistungsniveau“ im Vergleich mit dem hausinternen IVD-Test erreicht? Eine Möglichkeit wäre es, wissenschaftliche Literatur anzuführen, die die Verwendung von Antikörpern gegen Marker befürwortet, für die es aktuell keine Alternative mit CE-Kennzeichnung gibt. Und es kann noch verworrener werden: Was, wenn zwar einzelne Antikörper mit CE-Kennzeichnung für denselben medizinischen Zweck verfügbar sind, aber für einen anderen Probentyp? Genügt es dann, wenn das Labor die Verwendung seines hausinternen IVD-Tests einzig über wissenschaftliche Literatur rechtfertigt? Das wird sich erst im Laufe der Zeit herausstellen.

Konformität mit den allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen in Anhang I

Unabhängig davon, wie das Labor die fortgesetzte Verwendung seiner hausinternen IVD-Tests begründen könnte oder sollte, stellt sich die genauso wichtige Frage, ob es den Aufwand wert ist. Zuerst einmal muss der fragliche Test die in Anhang I der IVDR aufgeführten allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen erfüllen. Diese allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen bilden im Grunde eine regulatorische Checkliste. Nicht alle Klauseln der allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen betreffen jeden Test, und einige Klauseln werden wahrscheinlich auch niemals hausinterne IVD-Tests betreffen, doch Kapitel 1 („Allgemeine Anforderungen“) und Kapitel 2 („Anforderungen an Leistung, Auslegung und Herstellung“) finden immer Anwendung, da sie sich mit Auslegung und Entwicklung sowie dem Risikomanagement für In-vitro-Diagnostika befassen. Es genügt ein Blick in die allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen, um zu erkennen, dass die Konformität mit EN ISO 15189:2013 (Medizinische Laboratorien – Besondere Anforderungen an die Qualität und Kompetenz) allein nicht ausreichen wird, und es sich empfiehlt, in das Labor-QMS in erheblichem Umfang Abschnitte zu Entwicklungslenkung und Fertigung aus Industrienormen wie der EN ISO 13485:2016 (Medizinprodukte – Qualitätsmanagementsysteme – Anforderungen für regulatorische Zwecke) und EN ISO 14971:2019 (Medizinprodukte – Anwendung des Risikomanagements auf Medizinprodukte) einfließen zu lassen. Vollständige Konformität mit den relevanten Sicherheits- und Leistungsanforderungen zu erreichen, wird der Qualitätssicherungsabteilung des Labors beträchtliche Anstrengungen abverlangen, tiefgreifende Auswirkungen für das an der Herstellung und Verwendung von hausinternen IVD-Tests beteiligte Personal haben und in der Folge auch auf die Rentabilität derartiger Tests. Vielleicht überlegen sich Labore zunächst, ob es für die Erbringung derselben Diagnoseleistung nicht eine tragfähige Alternative gibt, statt nach einer geeigneten Begründung zu suchen, um weiterhin hausinterne IVD-Tests durchführen zu dürfen. Eine Ausnahmeregelung nach Artikel 5.5 wird für viele Labore nur als letzte Möglichkeit in Betracht kommen – so sie denn überhaupt als praktikabel erachtet wird.

Schlussbetrachtung

Alle klinischen DZM-Tests fallen in den Geltungsbereich der IVDR, soweit ihre Herstellung betroffen ist, die IVDR hat jedoch nicht unbedingt auf alle Labore Auswirkungen, in denen klinische DZM-Tests durchgeführt werden. Von der IVDR betroffen sind nur Labore, die Produkte ohne CE-Kennzeichnung verwenden, oder Produkte mit CE-Kennzeichnung in einer Weise verwenden, die von der Zweckbestimmung nicht abgedeckt wird. Wenn das Labor DZM-Produkte (Kits oder einzelne Antikörper) mit CE-Kennzeichnung gemäß der Zweckbestimmung verwendet, liegt die Verantwortung zur Einhaltung der IVDR beim Produkthersteller und seitens des Labors sind in Bezug auf die IVDR keine Maßnahmen erforderlich. Für jedes Labor ist es wichtig zu prüfen, ob die DZM-Tests in seinem aktuellen Repertoire tatsächlich als IVD-Tests mit CE-Kennzeichnung gelten, insbesondere wenn für den Test ein benutzerdefiniertes Panel und kein Kit verwendet wird.

Sollte der DZM-Test hingegen die Kriterien für einen hausinternen IVD-Test erfüllen, muss das Labor, das den Test herstellt und verwendet, sicherstellen, dass alle Anforderungen, die sich aus Artikel 5.5 der IVDR ergeben, eingehalten werden. Wenn auch nur eine Anforderung nicht erfüllt ist, sollte das Labor den Test nicht länger herstellen oder verwenden. Neben strengen Anforderungen an die Testleistung, die erst 2028 verbindlich werden, gibt es eine genauso strenge (wenn nicht strengere) Anforderung, die bereits in Kraft ist: Die Konformität mit den einschlägigen allgemeinen Sicherheits- und Leistungsanforderungen in Anhang I der IVDR ist seit 26. Mai 2022 verpflichtend vorgeschrieben. Die zur Einhaltung speziell dieser Anforderung erforderlichen Maßnahmen werden sich tiefgreifend auf Labor-QMS und die Zuteilung von Ressourcen auswirken. Jetzt ist die Zeit zu handeln.

Quellen

  1. Regulation (EU) 2017/746 of the European Parliament and of the Council of 5 April 2017 on in vitro diagnostic medical devices and repealing Directive 98/79/EC and Commission Decision 2010/227/EU. Official Journal of the European Union L117, Volume 60, p 176-332
  2. MEDDEV. 2.14/2 rev.1. IVD Guidance : Research Use Only products
  3. Framework for Regulatory Oversight of Laboratory Developed Tests (LDTs). Guidance for Industry, Food and Drug Administration Staff, and Clinical Laboratories. Draft. (2014).
  4. Vermeersch P, Van Aelst T, Dequeker EMC. The new IVD Regulation 2017/746: a case study at a large university hospital laboratory in Belgium demonstrates the need for clarification on the degrees of freedom laboratories have to use lab-developed tests to improve patient care. Clin Chem Lab Med. Jul 21 2020;59(1):101-106. doi:10.1515/cclm-2020-0804
  5. Regulation (EU) 2022/112 of the European Parliament and of the Council of 25 January 2022 amending Regulation (EU) 2017/746 as regards transitional provisions for certain in vitro diagnostic medical devices and the deferred application of conditions for in-house devices. Official Journal of the European Union L019, Volume 65, p3-6
  6. Spitzenberger F, Patel J, Gebuhr I, Kruttwig K, Safi A, Meisel C. Laboratory-Developed Tests: Design of a Regulatory Strategy in Compliance with the International State-of-the-Art and the Regulation (EU) 2017/746 (EU IVDR [In Vitro Diagnostic Medical Device Regulation]). Ther Innov Regul Sci. Jan 2022;56(1):47-64. doi:10.1007/s43441-021-00323-7
  7. MEDDEV 2.7/1 rev.4. Guidance on Medical devices. Clinical Evaluation: A Guide for Manufacturers and Notified Bodies

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